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Der Name „Träume schenken“

Der Name „Träume Schenken“ kam uns nach dem Ausflug mit einigen der Kinder nach Antigua in den Sinn. Diese Kinder und auch die meisten ihrer Eltern hatten vor dem Ausflug noch nie etwas anderes gesehen als die Müllkippe. BuildinGuate hatte die Idee den Kindern etwas anderes zu zeigen und einen Ausflug in die schöne Kolonialstadt zu machen. Anfangs waren wir irritiert über den Vorschlag und dachten es sei nicht förderlich die Kinder sehen zu lassen was sie alles nicht haben. Nach einiger Zeit der Überlegung und Gesprächen mit den Projektmitarbeitern waren wir dann aber überzeugt davon, dass die Kinder sehen müssen wie die Welt außerhalb ihrer Müllkippe  aussieht und dass es sich lohnt zur Schule zu gehen und eine andere Lebensgestaltung anzustreben. Auch die Bilder die wir auf die Schule gemalt haben strahlen Lebensfreude und den Mut zu träumen aus. Besonders inspiriert hat uns die Geschichte eines Zirkuselefanten der aufgehört hat an sich zu glauben und nicht mehr träumt. Diese Geschichte des Elefanten haben wir den Kindern erzählt und ihn symbolisch auf den Bildern der Schule dargestellt.

Träume schenken

Träume schenken

 

Der angekettete Elefant

Als ich ein kleiner Junge war, war ich vollkommen vom Zirkus fasziniert, und am meisten gefielen mir die Tiere. Vor allem der Elefant hatte es mir angetan. Wie ich später erfuhr, ist er das Lieblingstier vieler Kinder. Während der Zirkusvorstellung stellte das riesige Tier sein ungeheures Gewicht, seine eindrucksvolle Größe und seine Kraft zur Schau. Nach der Vorstellung aber und auch in der Zeit bis kurz vor seinem Auftritt blieb der Elefant immer am Fuß an einen kleinen Pflock angekettet.

Der Pflock war allerdings nichts weiter als ein winziges Stück Holz, das kaum ein paar Zentimeter tief in der Erde steckte. Und obwohl die Kette mächtig und schwer war, stand für mich ganz außer Zweifel, dass ein Tier, das die Kraft hatte, einen Baum mitsamt der Wurzel auszureißen, sich mit Leichtigkeit von einem solchen Pflock befreien und fliehen konnte. Was hält ihn zurück? Warum macht er sich nicht auf und davon?

Vor einigen Jahren fand ich heraus, dass zu meinem Glück doch schon jemand weise genug gewesen war, die Antwort auf die Frage zu finden:

Der Zirkuselefant flieht nicht, weil er schon seit frühester Kindheit an einen solchen Pflock gekettet ist.

Ich schloss die Augen und stellte mir den wehrlosen neugeborenen Elefanten am Pflock vor. Ich war mir sicher, dass er in diesem Moment schubst, zieht und schwitzt und sich zu befreien versucht. Und trotz aller Anstrengung gelingt es ihm nicht, weil dieser Pflock zu fest in der Erde steckt. Ich stellte mir vor, dass er erschöpft einschläft und es am nächsten Tag gleich wieder probiert, und am nächsten Tag wieder, und am nächsten . . . Bis eines Tages, eines für seine Zukunft verhängnisvollen Tages, das Tier seine Ohnmacht akzeptiert und sich in sein Schicksal fügt. Dieser riesige, mächtige Elefant, den wir aus dem Zirkus kennen, flieht nicht, weil der Ärmste glaubt, dass er es nicht kann. Allzu tief hat sich die Erinnerung daran, wie ohnmächtig er sich kurz nach seiner Geburt gefühlt hat, in sein Gedächtnis eingebrannt. Und das Schlimme dabei ist, dass er diese Erinnerung nie wieder ernsthaft hinterfragt hat. Nie wieder hat er versucht, seine Kraft auf die Probe zu stellen.

Wir haben uns genauso verhalten wie der Elefant, und auch in unser Gedächtnis hat sich die Botschaft eingebrannt: Ich kann das nicht, und ich werde es niemals können.

Mit dieser Botschaft, der Botschaft, dass wir machtlos sind, sind wir groß geworden, und seitdem haben wir niemals mehr versucht, uns von unserem Pflock loszureißen.

Manchmal, wenn wir die Fußfesseln wieder spüren und mit den Ketten klirren, gerät uns der Pflock in den Blick, und wir denken: Ich kann nicht, und werde es niemals können.

(Jorge Bucay)